BandsPrivat ist ein Format, welches Künstlern – sowohl bereits etablierten Musikern als auch Newcomern – eine Plattform bietet, sich und ihre Musik zu präsentieren. Das vom Med-Club Jena e.V. ins Leben gerufene Projekt wächst seit 2008 stetig und ist mittlerweile aus der Kultur-Szene Jenas kaum noch wegzudenken.
In Zusammenarbeit mit dem Internationalen Centrum bietet das Haus auf der Mauer mit dem großen Saal und dem urigen Gewölbekeller die optimalen Räumlichkeiten für Konzerte in kleinem und persönlichem Rahmen. Die Musik steht dabei stets im Vordergrund, teilweise akustisch oder sogar unplugged. Die liebevolle Bühnendekoration mit Teppich und Stehlampe erzeugt eine warme und gemütliche Atmosphäre, in der sich Künstler und Publikum schnell wohlfühlen und ein gegenseitiges Kennenlernen auf ungekünstelte Weise ermöglicht wird.
Bei der Auswahl der Musiker beweisen die engagierten Mitarbeiter von BandsPrivat (Sebastian Perner, Elisabeth Luther, Mandy Keller) ein gutes Gespür für besondere Charaktere. Egal, ob Künstler aus Jena und Umgebung, wie z.B. „Talking To Turtles“, „Molatree“ und „Little Man Lost“, Künstler aus weiter entfernten Städten – „Deep Sea Diver“, „Do I Smell Cupcakes“ und „Binoculers“ – oder sogar internationale Musiker wie Kim Nixon, Charlie Barnes und Sarah Noni Metzner – sie alle und noch viele mehr standen bereits auf der Bühne von BandsPrivat.
Und es geht weiter: Am Samstag, den 28. April fiel der Startschuss für die neue Spielzeit im Sommersemester 2012, in der nun ein bis zwei Mal im Monat viele fantastische Künstler erwartet werden. Hingehen lohnt sich – zumal der Eintritt kostenlos ist, was angesichts der ausgezeichneten Musiker keinesfalls selbstverständlich ist.
Beim Auftakt-Konzert am 28. April gab es erneut internationalen Besuch: die Songwriterin und Multi-Instrumentalistin Joanna Chapman-Smith – bereits zum zweiten Mal bei BandsPrivat in Jena – und der sie begleitende Violinist Jaron Freeman-Fox aus Kanada. Als Vorband spielte das seit 2009 bestehende Weimarer Duo „Sophie de Vries“, das sich aus der Sängerin Sophie Ann Grobler und dem Gitarristen Marco de Vries zusammensetzt, welcher jedoch an diesem Abend durch Florian Fleischer vertreten wurde.
Der große Saal war schnell gefüllt, so dass „Sophie de Vries“ gegen 21 Uhr die Bühne betraten. Schnell entführten sie das Publikum in eine Welt des Jazz und erzeugten vermehrt sphärische Klänge in harmonisch dichter Komposition. Sophie, die in Weimar und Boston Jazz studiert hat, präsentierte gekonnt ihre stimmliche Bandbreite und ließ dennoch genügend Freiraum für Florians Gitarrensoli. Die von Sophie hauptsächlich selbstgeschriebenen Songs handeln von Abschied und gleichzeitigem Aufbruch, thematisieren ihre Familie sowie eine unerfüllte, heimliche Liebe und lassen trotz all der Schwere eine Leichtigkeit und Zuversicht heraushören.

Nach einer kurzen Pause betraten anschließend Joanna Chapman-Smith und Jaron Freeman-Fox, Hauptact des Abends, die Bühne. Mit dem Song „Things Are Gonna Go Wrong“ erzeugten sie sofort eine positive Dynamik und zeigten Humor. „I’m gonna make mistakes“, wie es später im Songtext heißt, sollte wohl eine Vorwarnung sein, wobei von ’Fehlern’ in dem gesamten weiteren Verlauf des Konzertes nicht die Rede sein konnte – im Gegenteil. Das Publikum wurde von Beginn an in den Bann von Joannas Musik gezogen, die unterschiedliche Stilrichtungen miteinander kombiniert – von traditionellem Folk und Jazz hin zu osteuropäischen und sogar lateinamerikanischen Klängen.
Jaron zeigte dabei ein feines Gespür bei seiner Geigen-Begleitung, setzte passende Akzente – ob zupfend oder streichend – und zeigte bei sich bietender Gelegenheit seine unglaubliche Virtuosität. Besonders schön gestaltete sich der Song „Melodies“, der sich auf Joannas zweitem Album „Contraries“ befindet und für den sie 2009 bereits den „Independent Music Award“ in der Kategorie „best acoustic song“ gewann. Das wunderschöne musikalische Arrangement – der Wechsel von Balkan-Rhythmen mit dramatisch klingenden Geigenläufen hin zu harmonischen, flächigen Melodien im Refrain – zeigte die Vielfalt Joannas Musik und ein sehr harmonisches und aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel der beiden Kanadier.
Joannas Gabe mit dem Publikum umzugehen, sich zu öffnen und es teilhaben zu lassen an den Geschichten, die sie in ihren Songs erzählt, gab dem gesamten Konzert eine sehr warmherzige und persönliche Note. Ob Songs über ihren neugeborenen Neffen, über ihre Heimat Kanada oder auch über „assholes“, bzw. ein Bestimmtes – Joanna fand immer die richtigen Worte, um ein Lächeln auf die Gesichter der Leute zu zaubern. Auch bezog sie das Publikum direkt mit ein, das bei „Arbitrary Lines“ begeistert mitsang, oder bei „A Glass of Right & Wrong“ nach Joannas und Jarons Aufforderung motiviert ihre „Ohs“ und „Yeahs“ an die richtigen Stellen setzte.
Jaron, der selber Frontmann der kanadischen Band „Opposite Of Everything“ ist, präsentierte einen seiner Songs „Back To The Boonies“. Seine schroffe Art zu singen, bildete einen tollen Kontrast zu Joannas weicher Stimme. Die Geige hielt er beim Spielen teilweise sogar hinter dem Rücken oder zwischen den Beinen und drehte vollkommen auf, so dass sich auch Joanna der Dynamik nicht entziehen konnte, ihre Brille auf den Boden warf und aus voller Kehle mitsang. Das Publikum war begeistert und die Stimmung auf dem Höhepunkt. Trotz der im Raum herrschenden Hitze wollte keiner, dass dieser Abend je ein Ende findet und als es dann doch so weit war, wurde so lange applaudiert, bis Joanna und Jaron noch zwei weitere Male die Bühne betraten. „Now, I’m gonna make you cry“, kündigte Joanna das vorletzte, sehr gefühlvolle Stück „Cry For The Departed“ an und zeigte erneut ihre emotionale und menschliche Tiefe.
Ein unvergesslicher Abend mit fantastischen, außergewöhnlichen Künstlern ging zu Ende und man kann schon jetzt kaum erwarten, die beiden im nächsten Jahr hoffentlich wieder bei BandsPrivat begrüßen zu dürfen.
Auf Facebook schrieb Joanna:
A comment from a fan in Jena, Germany tonight: “You guys are like the bastard-child of Regina Spektor and Tom Waits”
…wie Recht er hat!
–
Kurz vor dem Soundcheck traf ich Joanna Chapman-Smith und Jaron Freeman-Fox zu einem Interview:

Wie habt ihr – du und Jaron euch kennengelernt?
Joanna: Wir lebten beide eine Zeit lang in Vancouver, aber getroffen haben wir uns eigentlich in Ottawa. Man sieht sich einmal, dann nochmal, und immer wieder.
Jaron: Ja, ich denke auch, dass sich die meisten Musiker in Kanada kennen, vor allem wenn sie nicht unbedingt Pop-Musik machen, sondern etwas weniger kommerzielle Musik. Es wäre also eher überraschend, wenn wir uns beide nicht kennen würden (lacht).

Nach deinem Debutalbum „Eyre Corvidae“ (2007) und dem Nachfolger „Contraries“ (2009) hast du nun die Arbeit an deinem dritten Album „Love Me Deeply“ beendet. Ist Jaron auf deinem neuen Album auch zu hören?
Joanna: Ja, er spielt bei einigen Songs mit. Das ist wahnsinnig toll und aufregend.
„Love Me Deeply“ beinhaltet auch sonst viele Gast-Performances…
Joanna: Ja, genau. Ich war gerade dabei Vancouver zu verlassen und nach Toronto zu ziehen. Bei dem Album wollte ich jedoch meine ganzen Lieblingskünstler aus Vancouver mit dabei haben. Also versuchte ich einen großen Teil zu bekommen, was mir ganz gut gelang. Zwar nicht immer – z.B. war es bis auf den Drummer nicht möglich, alle meine Freunde aus der Band „Maria in the shower“ dazu zu holen, aber insgesamt war ich doch sehr erfolgreich und konnte viele für mich gewinnen.
Was erwartet uns inhaltlich bei deinem neuen Album mit dem Titel „Love Me Deeply“? Gibt es ein übergeordnetes Thema?
Joanna: Ja und nein. Es ist kein „Konzept-Album“ mit ausschließlich einer Thematik. Aber es hat dennoch bestimmte Themen. Gewisse Dinge, die mir in meinem Leben passieren, bzw. in dieser Zeit, verarbeite ich beim Songwriting und sie kommen in den Songs zum Ausdruck. Bei dem Album spielt offensichtlich „Liebe“ eine Rolle, wodurch es sich stark von allen anderen Alben unterscheidet…(lacht). Es gibt da aber noch ein anderes Thema, das mich sehr inspiriert hat. Und zwar die „Stimme“.
Das ist interessant. Ich habe gehört, dass du Angst davor hast, deine Stimme zu verlieren? Woher kommt diese Angst?
Joanna: Daher, dass ich mal meine Stimme verloren habe. Die Stimme ist ein sehr emotionales Instrument. Wenn du aufhörst, deine alltägliche Stimme zu benutzen, dann kann es auch passieren, dass du deine Singstimme verlierst. Das ist mir vor ein paar Jahren passiert. Es begann mit einer normalen Erkältung, die sich jedoch zu etwas entwickelte, das mir noch immer nicht ganz klar ist. Ich bekam medizinische Hilfe und nach ein paar Wochen ging es mir wieder gut. Aber trotzdem beschäftigt mich dieses Thema „Stimme“ sehr und lässt mich nicht los.
Neben dem Gesang bist du auch bekannt als „Multi-Instrumentalistin“. Was für Instrumente spielst du?
Joanna: Ich spiele viele Instrumente, aber ich habe angefangen, mich auf den Gesang und das Gitarre – Spielen zu fokussieren. Bei einigen Songs spiele ich auch Klarinette und teilweise ein bisschen Klavier.
Auf der Bühne benutzt du zusätzlich häufig sehr spezielle, teilweise sogar ’selbstgebastelte’ Instrumente.
Joanna: Ja, das stimmt. Ich habe zum Beispiel aus Kupferrohren ein Xylophon gebaut. Oder vor kurzem, auf dem Weg zu einem Konzert in Lochem in den Niederlanden, hatte Jaron die Idee, einen Song auf Weingläsern zu spielen. Ich fand die Idee großartig.
Jaron: Ja, diese Tour hat etwas von einer europäischen Zigeuner-Tour. Wir haben jeweils nur ein Instrument mitgebracht, weil wir Angst hatten, dass sie im Flugzeug kaputt gehen könnten. Aber bei jedem Konzert versuchen wir, an möglichst viele Instrumente heranzukommen, z.B. probiere ich immer Kontrabässe zu klauen (lacht).
Joanna: Ja, wir hatten bis jetzt fast bei jeder Show eine unterschiedliche Instrumentalisierung oder auch verschiedene Gast-Künstler, z.B. die Klarinettistin von Kim Janson.
Joanna, wie schreibst du Songs? Hast du meistens eine bestimmte Vorstellung, wie der Song klingen sollte, oder fängst du eher ein bestimmtes Gefühl ein und lässt daraus Musik entstehen?
Joanna: Ich schreibe seit ich 11 Jahre alt bin. Und ich habe dementsprechend sehr viele unterschiedliche Varianten des Songschreibens ausprobiert. Ich denke, die Haupt-Regel ist, wenn es funktioniert, dann ist es gut. Außerdem stehen beide Dinge in unmittelbarer Beziehung zueinander. Ich meine, was sich gut anhört, fühlt sich auch gut an. Wie ist es bei dir Jaron? Schließlich bist du auch Komponist und Songwriter.
Jaron: Die Antwort ist „Ja“ und „Nein“ zu beiden Fragen. Es gibt bestimmte Dinge, die einem sehr wichtig sind und welche schließlich in den Songs herauskommen. Aber dennoch glaube ich, dass die einzig ehrliche und schöne Musik eher zufällig entsteht. Und als Komponist und Songwriter musst du offen dafür sein. Das zu viele Wissen über Musik ist denke ich auch einer der Gründe, die es heutzutage immer schwerer machen, diese wunderschöne und ehrliche Musik zu schreiben. Ich z.B. ging auf eine Jazz- und Kompositions-Schule und studierte indische, klassische Musik in Indien. Und wenn man zu viel weiß, denkt man zu viel. Dennoch habe ich meine Tricks, wie ich das abschalte…(lacht)
Entstehen aus den Erfahrungen, die ihr während einer Tour sammelt, Ideen für neue Songs?
Joanna: Ja, auf jeden Fall. Auch wenn nicht so viele, wie ich es gerne hätte – manchmal wenn etwas Tolles passiert, dann aber schon. Prinzipiell mag ich es jedoch, Zeit zu haben zum Schreiben, sodass sich die Ideen auf eine natürliche Weise entwickeln.
Jaron: Man muss außerdem aufpassen. Es gibt diese Bands, die all diese tollen Songs geschrieben haben, aber nachdem sie das ganze Jahr getourt sind, fängt jeder Song an gleich zu klingen. In etwa so: (Jaron singt und lacht) „The road that I’ve been taking…“ Also muss man vorsichtig sein. Ich meine, schreib über die Dinge, die um dich herum passieren, aber halt dabei eher Ausschau nach den besonderen Dingen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Alles über BandsPrivat im Internet gibt’s unter: www.facebook.com/bandsprivat
Die nächsten Konzerttermine:
Sa. 26.05. „Me and Oceans“ + „My invisible Friend“
Sa. 02.06. “Do I smell Cupcakes” + “Kapelle Weyerer”
Text und Interview: Marlen Schernbeck
Bilder: Christoph Worsch
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